Medizintechnik: 3D-Bilder aus dem Herzen

Wie flexible Leiterplatten Innovationen in der Medizintechnik möglich machen – und bei der Diagnostik von Herzrhythmusstörungen unterstützen.

Entweder sind es harmlose „Fehlzündungen“ des Herzens oder es ist ein lebensgefährliches Flimmern. Herzrhythmusstörungen nehmen weltweit zu. Als die am häufigsten vorkommende Erkrankung dabei gilt das Vorhofflimmern. Ursachen sind neben dem Alter vor allem ungesunde Lebensgewohnheiten. Dazu zählen Rauchen und Alkohol, aber auch Bluthochdruck, Diabetes oder Adipositas.

Das Vorhofflimmern ist oft die Vorstufe zu einem Herzinfarkt, an dem laut Schätzungen der WHO (Weltgesundheitsorganisation) jährlich rund sieben Millionen Menschen sterben. Tendenz steigend. Mit noch genaueren Diagnosen will die Medizin dieser „Volkskrankheit“ entgegentreten. Sie setzt dabei auf Hightech in der Medizintechnik.

SCHNELLER, EXAKTER UND DREIDIMENSIONAL

Der US-Medizingeräte-Hersteller Boston Scientific hat ein Herz-Vermessungssystem vorgestellt, das Ärzten noch schneller noch exaktere Daten für noch bessere Behandlungen liefert. Herzvermessungen mit Hilfe von Kathetern und Sensoren gibt es schon seit geraumer Zeit. Mit dem Intellamap Orion hat man aber jetzt ein System entwickelt, das nicht nur sechs Mal schneller als vergleichbare Systeme ist. Es fertigt auch erstmals 3D-Bilder direkt aus dem Herzen an.

Das ganze System besteht aus vier Teilen – einer Basisstation, einer Lokalisierungsstation, Software und der eigentlichen Innovation, dem Intellamap Orion – das ist ein Katheter mit einer Sonde, bei deren Entwicklung AT&S beteiligt war. Im Falle des Hightech-Katheters waren es die flexiblen Leiterplatten im Miniaturformat.

WIE EIN AUSKLAPPBARER MICRO-REGENSCHIRM

Das Besondere an der Katheterapplikation ist nämlich seine Spitze – denn diese lässt sich, nachdem er über die Leistengegend minimal invasiv über die Vene ins Herz eingeführt ist, ähnlich einem Regenschirm aufspannen.

Es kommen acht schmale und flexible Leiterplatten zum Vorschein. Auf jeder dieser Leiterplatten befinden sich acht Minielektroden, also insgesamt 64 Stück davon mit je einer Fläche von 0,4 mm2. Mit Hilfe dieser Sensoren tastet sich der Chirurg dann millimetergenau durchs Herz. Sie erstellen aber nicht nur ein Elektrogramm und ein Elektrokardiogramm, sondern messen auch den Blutdruck und liefern Daten für eine genaue Modellierung. Das Ergebnis ist ein präzises 3D-Bild des Herz-Inneren.

YouTube player

MINIATURISIERUNG IN DER MEDIZINTECHNIK

„Projekte im Bereich der Medizintechnik sind für uns immer eine spannende Herausforderung, weil es sich fast immer um hochkomplexe technische Lösungen handelt“, sagt Martina Gunzer, Manager Business Development Medical. Dazu gehört auch wesentlich Miniaturisierung in der Medizintechnik: „Ohne Miniaturisierung wären viele Innovationen in medizinischen Anwendungsbereichen gar nicht machbar.“

Bestimmte Neuentwicklungen sind aber nur umsetzbar, wenn man die Bauteile so klein und effizient wie nur möglich machen kann. Das beginnt bei Geräten wie Herzschrittmachern oder Insulinpumpen und endet bei Innovationen wie einer smarten Temperaturmessmethode mit Sensorsystem, wie es AT&S gemeinsam mit dem Start-up SteadySense entwickelt hat.

MEDIZINTECHNIK VOM PATIENTEN-MONITORING BIS ZUR E-MEDIKATION

AT&S war bei diesem Projekt als Systemexperte im medizinischen Bereich von Anfang an dabei. Im Fokus stand die Entwicklung der „femSense“-Technologie von der Machbarkeitsstudie über die Produktentwicklung bis hin zur Fertigung.

Bei femSense geht es um die lückenlose Temperaturkontrolle über bis zu sieben Tage, um die fruchtbaren Tage bei Kinderwunsch zu ermitteln. Das Interesse für diese Art der Medizintechnik ist hoch, denn auch Kliniken sind an dieser Art des Patienten-Monitorings interessiert.

Die medizinischen Anwendungsgebiete werden in Zukunft noch größer. Neben vielen neuen Geräten wie etwa intelligenten Pillen, mit denen invasive Untersuchungen durchgeführt werden können, sind etwa auch für die e-Medikation in Zukunft Technologien aus der Welt der Leiterplatten gefragt. Mit diesen wird die elektronische Gesundheitsakte um Funktionen erweitert werden.

Veröffentlicht am: 11. August 2020

Beitrag teilen: